Endlich Ruhe – das Klappkerzchen
Die Balkonpflanzen sind reingeräumt; nach der Hektik der Erntezeit wird’s in der Landwirtschaft etwas ruhiger; die Winterreifen sind montiert. „Wie die graue Näbel schlyche, dumpf und schwär“ tönt ein altes Herbstlied aus einem Klassenzimmer. Eine gewisse Schwermut breitet sich an den immer kürzer werdenden Tagen unter dem bewölkten Himmel aus. In der grossen Stadt ist die Herbstmesse in diesen Tagen vorbei und etwas Ruhe kehrt ein. Zumindest wünschte ich mir das.
An meinem sonst so raffinierten Taschenmesser fehlt irgendwie noch ein Element: ein ausklappbares Kerzchen. Es dürfte auch elektrisch sein, aus Brandschutzgründen und so. Ach, das wär doch nett: Wo auch immer Du grad bist und einen Moment lang warten musst, kannst Du Dein ‚Multitool‘ rausholen, aufklappen und die Stille im Kerzenschein geniessen. Weisch wie guet: zu sich kommen, ‚aabefahre‘, die vorbeirauschenden Autos auf der regennassen Strasse ausblenden, nur dieses Lichtlein und ich – und in meinem Innern summt ein Lied und will ins Ohr. Ein Gedanke, leicht wie das zarte Licht vor mir, schält sich langsam und klar aus all den zappelnden „Muesch und Sottsch“. Winterliche Reduktion auf das Wesentliche!
Das wäre wohl kaum irgend ein moralinsaures ‚Müssen‘, mehr so eine Art Sehnsucht, die zieht und drängt: als Mensch in tragfähigen Beziehungen leben, Wohlwollen im Herzen, innig diesen innern Frieden erleben, versöhnt mit mir selbst und mit den Menschen um mich herum.
Ja, und weils mir da grad so wohl ist, vielleicht auch ein Gedanke an jene, denen es grad nicht so gut geht. Grad an den nasskalten Tagen können wir mit ihnen mitfühlen, weil wir uns gut vorstellen können, wie grausam es jetzt ist, wenn man zu wenig hat fürs Wohnen und Heizen. Räbeliechtli, der Heilige Martin: wie er seinen Soldatenmantel mit dem Schwert teilt, für einen Menschen, dem nichts blieb. Armeematerial verschleudern geht natürlich gar nicht, wobei: der Offiziersmantel ist gekauft und privat. Geht also doch. Aber mit einem halben Mantel nachts im Feld heisst frieren. Teilen bis es weh tut? Vielleicht nicht so viel, aber ein wenig geht schon und gibt irgendwie ein gutes Gefühl.
Moment, da war doch was. Oh, der Bus! Jetzt ist er vorbei gefahren. Jä nu, in einer halben Stunde kommt der nächste. Aber so ein Klappkerzli, das wär echt genial. Vielleicht sollte ich den Taschenmesser-Herstellern die Idee mal zustecken.
Gregor Ettlin
Pfarreiseelsorger, Pfarrei Bruder Klaus Liestal